A ut or in F ot o M ax im ili an B or ch ar dt Autorin und Mannheimerin Anne Jeschke war immer froh dass Lu ihre Heimatstadt netter aussehen lässt Allerdings Eine Ugliest City Tour versicherte ihr van der Buchholz könne er ihr auch problemlos in Mannheim anbieten gescheitert sind sagt einer der Männer Ein Beispiel von vielen die Dauer Baulü cke am Berliner Platz mitten im Zentrum 2015 ließ die Stadt dort ein Kaufhausge bäude abreißen Ein Investor plante das Metropol gläsernes Hochhaus 19 Stock werke Gesundheitszentrum Hotel Büro flächen Es sollte 2018 eröffnen Immerhin haben die Arbeiten jetzt begonnen Ein schlechter Ruf macht kreativ Das gilt nicht nur für die Stadtführungen Der Kollege der beim Stammtisch neben van der Buchholz sitzt öffnet seine Jacke An der roten Latzhose trägt er einen gelben Button Freiwillig in Lu steht drauf Ak tion einer Fotografin für selbstbewusste Ludwigshafener innen Tage später hat van der Buchholz zum Atelierabend eingeladen Das frühere Um spannwerk in dem heute Künstler innen arbeiten liegt im Südwesten der Stadt Wieder trägt der Fremdenführer Leuch tend Orange Er baut einen Kofferplatten spieler auf legt Schallplatten auf und spricht über Neutöner progressive Komponist innen aus dem 20 Jahrhun dert Ziemlich dissonante Sache Die kleine Veranstaltung hat er nicht in den schönen Garten hinterm Haus gelegt sondern nach vorn an die Straße Lastwa gen rattern durch den Klangteppich zwei mal brummt der Rettungshubschrauber über die ohnehin schon herausfordernden Tonfolgen hinweg Van der Buchholz veranstaltet regelmä ßig solche Abende Es erscheinen 80 Leute oder niemand Kommt aufs Thema an Zweimal platzte der Saal aus allen Nähten Das eine Mal sprach er über Katzen Das andere Mal über städtebauliche Todsün den in Ludwigshafen Ludwigshafens Hochhäuser inmitten der Innenstadt könnten auch in Skopje stehen oder in Tirana Ich finde sie interessanter als Heidelbergs Sandstein fassaden Wenn nachts die Fackel leuchtet mit der die BASF überschüssige Gase verbrennt schlägt mein Industrieromantikerinnenherz höher Heimlich und voller Reue Hässlichkeit ist eben oft paradox Ästhetisch Bedeutendes bricht mit Er wartungen und hat wenig damit zu tun was normalerweise als schön gilt schreibt der Geografiejournalist Gábor Paál Eine Stadt könne gefallen weil es in ihr immer wieder Neues zu entdecken gibt Nicht die Stadt ist streng genommen schön sondern der Prozess des Erkundens Nur schön das kann schnell langweilig werden Hässliches Unfertiges regt die Fantasie an Lu ist nicht allein mit seiner Hässlichkeit Ich habe mal in Siegen studiert Und bei zweistelligen Minusgraden in Bitterfeld auf den Bus gewartet Mein Freund reiste in die drittgrößte belgische Stadt Charleroi südlich von Brüssel Ähnliche Liga wie Ludwigshafen sagt er Hässlichste Stadt der Welt schrieb die niederländische Tageszeitung De Volkskrant Auch in Charleroi gibt es Anti Touren Safaris durch Industrieruinen Lange vor Ludwigshafen wollte sogar Heidelberg beweisen dass es mehr sein kann als malerisch und bot die Stadtführung Das hässliche Heidelberg an Darüber können Ludwigshafener innen nur lachen Jede noch so schöne Stadt hat hässliche Ecken und genau wie in jeder an deren hässlichen Stadt gibt es in Ludwigshafen schöne Ecken An der Rhein promenade auf der Parkinsel im Ebert Park oder in der BASF Arbeiter kolonie mit ihren niedrigen Backsteinhäusern mit den grünen Fensterläden Wer sich ein Fahrrad besorgt und losradelt raus aus der Innenstadt lernt ein anderes Lu kennen als das über das alle reden Immer montags geht van der Buchholz zum Stammtisch Helle nennen sie ihn dort Treffpunkt ist der Biergarten der Pizzeria La Torre Da Angelo Nett hier trotz zentraler Lage Die Stammkund innen zahlen nach Gefühl jede r wirft ein paar Geldstücke oder Scheine auf den Tisch Unsere Stadt hat nie durch Bescheidenheit geglänzt Sie hat gigantische Projekte angeleiert die Ich mag Beton und Bausünden Baulücken und Brutalismus Denn hässlich kann auch schön sein Karlsruhe hergezogen Mit Bock auf die hässliche Stadt Hier ist es eher ein bisschen asi nicht so bon zig Mir gefällt das besser Dean studiert Soziale Ar beit Die Innenstadt die viele längst verloren glauben schreckt sie nicht ab Die ist zwar im kapitalistischen Sinn nicht belebt Aber guckt doch mal genauer hin da spielen überall Kinder Fußgängerzonen gelten gemeinhin als Visitenkar ten einer Stadt Ich frage mich Ist das noch zeitgemäß Genau wie Visitenkarten sind sie in die Jahre gekom men mancherorts nahezu ausgestorben Es ist deine Stadt mach was draus steht über einem Ladenlokal angeschrieben Van der Buchholz präsentiert rund zwei Stunden lang obskure Orte darunter einen Spielplatz der versteckt zwischen zwei Hauptverkehrsstraßen liegt Er erzählt Geschichten von einzigartigen Gebäuden die das Stadtbild prägten und doch von Abrissbirnen zertrümmert worden sind Warum nur Das ist doch alles nicht nachhaltig schimpft der Mann mit dem grauen Vollbart und den knallbunten Hosenträgern Oft ist es eben billiger Zu den Ugliest City Tours kamen gerade anfangs viele Mannheimer innen über den Rhein Leute die ewig nicht mehr in Lu waren weil es selten Grund da für gibt Ich fühle mich ertappt In den elf Jahren die ich in der Nachbarstadt gelebt habe radelte ich nur hinüber nach Lu wenn ich beruflich musste zum Filmfestival oder weil sich Freund innen auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum dorthin verirrt hatten Dabei mag ich Beton und Bausünden Baulücken und Brutalismus Denn hässlich kann auch schön sein 5703 2022 052 Ludwigshafen indd 57 08 02 22 11 01

Vorschau DB mobil 03-2022 Seite 57
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